Heizen mit HolzFachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.

 

Bürgermeisterinterview Moosach

Interview mit Michael Eisenschmid, ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Moosach im Landkreis Ebersberg

•    FNR: Wie ist die Idee entstanden, in Ihrem Ort bei der Energieversorgung neue Wege zu gehen und u.a. auf Biomasse zu setzen? 

Michael Eisenschmid: Das Projekt ist aus der Bürgerschaft selbst entstanden und wird auch heute von den Bürgerinnen und Bürgern mitgetragen. Seit 2009 suchten Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde im Arbeitskreis „Neue Energie Moosach“ (NEMoo) nach Möglichkeiten, eine zentrale Wärmeversorgung im Ortskern zu realisieren. 
Die oberbayerische Gemeinde Moosach hat das Ziel, ab 2030 unabhängig von fossilen Energieträgern zu sein. 
Der Landkreis Ebersberg und die zugehörige Gemeinde Moosach möchten sich mit Strom und Wärme aus eigenen Ressourcen versorgen und Abhängigkeiten und Risiken bei fossilen und sonstigen endlichen Ressourcen mindern. 
Ein Energienutzungsplan und eine Quartiersstudie wiesen die Vorzüge und Machbarkeit für eine Wärmeversorgung auf Grundlage von Energieholz aus.

Klimastrichcode-Heizhaus Moosach

•    FNR: Welche Akteure waren an dieser Entscheidungsfindung beteiligt und wie haben Sie die Bevölkerung eingebunden? 

Michael Eisenschmid: Die im Arbeitskreis „Neue Energie Moosach“ organisierten Bürger haben das Vorhaben zur Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien über viele Jahre entwickelt und vorangetrieben, dabei ihre Ideen und Interessen eingebracht. Die Gemeinde Moosach und die vormalige Regenerative Energie Ebersberg eG (REGE eG) sowie die naturstrom AG und alle weiteren beteiligten Firmen haben das Nahwärmeprojekt gemeinschaftlich umgesetzt.

•    FNR: Welche Faktoren waren maßgeblich für Ihre Entscheidung für die Einbeziehung von Biomasse? Welche regionalen Gegebenheiten haben dabei eine Rolle gespielt?

Michael Eisenschmid: Biomasse in Form von Waldrestholz und nicht sägefähigem Durchforstungsholz steht in der waldreichen Region nachhaltig zur Verfügung. Für den sparsamen, effizienten Einsatz des Energieträgers Holz wurde die Kombination mit einer Freiflächen-Solarthermieanlage favorisiert.

•    FNR: Welches Betreibermodell haben Sie gewählt und warum haben Sie sich für dieses Modell entschieden? Was waren die Vorteile? Welche Herausforderungen galt es zu begegnen? 

Michael Eisenschmid:  Die Moosacher Bürger haben kein eigenes örtliches Betreibermodell favorisiert, sondern auf die Erfahrungen der REGE eG und naturstrom AG sowie weiterer kompetenter Partner aus der Region für Projektentwicklung, Bau und Betrieb der Wärmeerzeugung und –verteilung sowie Abrechnung gebaut.
Die dme-consult aus Rosenheim erstellte eine Quartiersstudie und übernahm die Planung des Nahwärmenetzes für die Gemeinde Moosach. Die naturstrom AG konnte für die Planung und Errichtung der Energiezentrale inkl. Freiflächen-Solarthermieanlage gewonnen werden.
Der Betrieb des Nahwärmenetzes sowie der Energiezentrale wurde der NatCon Südbayern GmbH & Co. KG übertragen, die auch Vertragspartner der Wärmekunden bzgl. Wärmelieferung ist.
Die MW Biomasse AG, ein Zusammenschluss der regionalen Forst- und Landwirtschaftsbetriebe, ist technischer Betriebsführer der Holzheizkesselanlage. Die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Partnern funktioniert sehr gut. 

•    FNR: Wie schätzen Sie den Erfolg der Anlage im Betrieb ein? Wie ist die Akzeptanz der Bevölkerung? 

Michael Eisenschmid: Die Wärmeversorgung aus Waldrestholz und Sonnenenergie ist technisch und wirtschaftlich sehr erfolgreich. Der Wärmebedarf in Höhe von 2,3 Mio. kWh wird zu 82 % aus Biomasse (Energieholz) und zu 18 % aus Sonnenenergie (Solarthermie) gedeckt. Über das 4,4 Kilometer lange Leitungsnetz werden rund 70 Haushalte versorgt. Das Wärmeverteilnetz ist dabei technologieoffen: künftige Innovationen für noch effektivere Wärmeerzeugung in der Heiztechnik können in Zukunft in der Heizzentrale berücksichtigt werden.

•    FNR: Welche Erfahrungen haben Sie im Bereich der Lieferanten und Verträge gemacht? Worauf gilt es zu achten? 

Michael Eisenschmid:  Moosach ist von Wald umgeben und nutzt diesen Standortvorteil. Durch Rahmenverträge mit lokalen
Lieferanten stellt die Betreibergesellschaft sicher, dass der Brennstoff aus einer Entfernung von maximal 40 Kilometern kommt. Verwendet wird ausschließlich Waldrestholz von privaten Waldbauern. 

•    FNR: Würden Sie mit Ihren heutigen Erfahrungen die Anlage neu konzipieren, was würden Sie anders machen? Welche Hinweise können Sie Interessierten aus anderen Kommunen bei der Planung, Konzeption und Umsetzung einer erneuerbaren Energieversorgung mit Bioenergie und anderen EE an die Hand geben?

Michael Eisenschmid: Die Entscheidung würde in Moosach sicher noch einmal zugunsten der Energieholznutzung von regionalem Waldrestholz fallen. Aus heutiger Perspektive würden voraussichtlich das Solarthermiefeld und der Pufferspeicher noch etwas größer ausgelegt werden, der solare Deckungsanteil von 18 % auf 25 % gesteigert werden.
Es ist auf jeden Fall empfehlenswert, bei Wärmenetzen nicht auf einen einzigen Energieträger zu vertrauen, sondern in der Heizzentrale eine kluge Kombination verschiedener, örtlich verfügbarer erneuerbarer Energieträger zu installieren.

•    FNR: Wie hat die Bioenergie-Kommune Moosach bzw. haben die Akteure Öffentlichkeitsarbeit betrieben, um das Versorgungsmodell überregional bekannt zu machen?

Michael Eisenschmid:  Die Gemeinde Moosach liegt im Bereich des Naherholungsgebietes München-Ost und hat ganzjährig viele Besucher.
Durch die Farbgestaltung der Heizzentrale mit sogenannten Warming Stripes hat Moosach überregionale Aufmerksamkeit erreicht. Die Warming Stripes sind eine Art Klimastrichcode, der vom britischen Klimawissenschaftler Ed Hawkins konzipiert wurde und den klimabedingten Temperaturanstieg der Erde als Temperaturabweichung von Durchschnittswerten mit einem Blick erfassbar macht. naturstrom folgte Hawkins und nahm die Klimadaten Bayerns von 1880 bis 2018 als Inspiration für den besonderen Farbanstrich der Moosacher Heizzentrale. Die Farbgebung für jedes Jahr variiert je nach Temperaturabweichung vom Durchschnittswert von dunkelblau (sehr kühl) über hellblau und hellrot bis dunkelrot (sehr heiß). Auf einen Blick wird dabei deutlich, dass die Häufigkeit heißer Jahre zuletzt außergewöhnlich stark zugenommen hat. 

Auf der Website der Gemeinde Moosach und auf der Projektwebsite von naturstrom (https://www.naturstrom.de/kommunen/nahwaerme/nahwaerme-moosach) wird über die erneuerbare Nahwärmeversorgung informiert. Während der Bauphase und zur Inbetriebnahme wurde in mehreren Pressemitteilungen über das Nahwärmenetz und die Wärmeversorgung aus Sonnenenergie und Holzenergie informiert. Moosach hat 2020 das "Jahr der Wärme" ausgerufen und mit zahlreichen Aktionen zum Thema "erneuerbar Heizen", mit Heizhaus-Führungen, Workshops, Info-Veranstaltungen und Tagen der offenen Heizhaustür  auf das vorbildliche Projekt aufmerksam gemacht und Bürger aus anderen Kommunen informiert.

Bioenergiedorf Moosach

Steckbrief

Bioenergie-Kommune Moosach

  • Ziel der Bioenergie-Kommune Moosach: keine Nutzung fossiler Energieträger nach 2030
  • Einwohner: ca. 1.500 (insgesamt im Ortsteil Moosach und den 11 weiteren Ortsteilen)
  • Anzahl Hausanschlüsse (im Ortsteil Moosach): 70
  • Heizzentrale: Heizhaus mit 3 Biomassekesseln mit insgesamt 1.450 kW thermische Leistung (Inbetriebnahme 2018)
  • Brennstoff: Holzhackschnitzel aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern der Region
  • Wärmespeicher: 100 m³ Pufferspeicher
  • Freiflächen-Solarthermieanlage: 1.067 m², 746 kW (Inbetriebnahme 2019)
  • Andere erneuerbare Energien:
    • PV-Anlagen auf Dächern kommunaler Liegenschaften
    • E-Ladesäule am Rathaus
  • Effizienzmaßnahmen:
    • LED-Straßenbeleuchtung, LED-Beleuchtung in öffentlichen Gebäuden (u. a. Mehrzweckhalle)
    • Effizienzmaßnahmen/Gebäudesanierung kommunaler Liegenschaften
  • Geschätzte jährliche CO2-Einsparung: rund 955 t CO2 bei einem Wärmebedarf von rund 2,3 Mio. kWh

Internet:
https://moosach.info/
https://www.naturstrom.de/kommunen/nahwaerme/nahwaerme-moosach